K13online Prozessbeobachter: Landgericht Karlsruhe-Pforzheim verhängt gegen 76-jährigen Mann(Onkel) eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung

[ Autor von diesem Artikel: Dieter Gieseking ] [ Verfasst am 22 Oktober 2024 ]

Trotz Täter-Opfer-Ausgleich wurde Strafanzeige erstattet: Rechtsgespräch aller Verfahrensbeteiligte führt zu 15 Tausende Euro Entschädigung an die heute 21-jährige Nichte

Vor dem Landgericht Karlsruhe in Pforzheim wurde ein äußerst ungewöhnlicher Fall gemäß § 176 und § 176a StGB(alters Recht) verhandelt. Ein heute 76-jähriger Mann war im Zeitraum von 2010 bis 2016 mit seiner Nichte(damals 6-12 Jahre) regelmäßig in den Urlaub gefahren. Dabei soll es in 140 Fällen zu sexuellen Übergriffen(Hochrechnung) und vier sexuellen Handlungen in minderschweren Fällen gekommen sein. In einem Rechtsgespräch unter Ausschluss der Öffentlichtkeit war es schon am 1. Verhandlungstag zu einer Verfahresabsprache aller Beteiligte gekommen. Diese Einigung fand sich auch in der mündlichen Urteilsverkündigung wieder: Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung und eine Auflage von 15 Tausend Euro an die heute 21-jährige Nichte. Ein solch mildes Urteil ist gerade für dieses Landgericht äußerst selten. Staatsanwaltschaft, Nebenklage, Verteidigung und das Gericht waren sich einig. Möglich war dieses Urteil durch einen Täter-Opfer-Ausgleich. Dennoch bleibt aus Sicht von K13online ein bitterer Nachgeschmack. Denn obwohl es bereits im Jahre 2016 eine Entschädigungszahlung an die Nichte gegeben hatte und damals keine Strafanzeige erstattet wurde, musste sich der Onkel viele Jahre danach erst durch eine Anzeige einem Prozess stellen. Im Klartext bedeutet dies, dass man sich auch bei einem vereinbarten Täter-Opfer-Ausgleich nicht sicher sein kann, dass bis zum Ablauf der Verjährungsfrist keine Strafanzeige mehr erstattet wird. Hätte es keine Strafanzeige gegeben, dann hätte man sich diesen Prozess ersparen können…

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Plädoyer der Staatsanwaltschaft

Schon am 1. Verhandlungstag fand eine Verständigung zwischen allen Verfahrensbeteiligten unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die 140 Fälle nach § 176 StGB wurden hochgerechnet, wobei es um geringfüge sexuelle Übergriffe gegangen war. Bei den vier anderen Fällen ging es um minderschwere Fälle nach altem Recht(§ 176a StGB). Alle Handlungen lagen bereits über acht Jahre zurück. Im Zeitraum von 2010 bis 2016 soll es dazu gekommen sein. Schon damals hatte sich der Mann bei seiner Nichte(6-12) entschuldigt. Auch hatte er damals schon mit einer Therapie begonnen. Ein Täter-Opfer-Ausgleich wurde ausgehandelt. Alles geschah ohne eine Strafanzeige. Der Staatsanwalt war davon überzeugt, dass von dem Mann keine Straftaten mehr zu erwarten sind. Er beantragte eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die für zwei Jahre auf Bewährung ausgesetzt wird. Als Auflage soll die Zahlung der Entschädigung von insgesamt 15 Tausend Euro an die heute 21-jährige Nichte überwiesen werden. 

Plädoyer der anwaltlichen Nebenklage

Die anwaltliche Nebenklägerin schloss sich der Staatsanwaltschaft an. Die Frau bzw. das „Opfer“ war nicht zur Urteilsverkündung erschienen. Die Entschuldigung des Mannes war überzeugend und wurde von der heute erwachsenen Nichte mit den 15 Tausend Euro dankend angenommen.  

Plädoyer der Verteidigung

Der Verteidiger schloss sich ebensfalls den Ausführungen der Staatsanwaltschaft an. Das Rechtsgespräch & der Täter-Opfer-Ausgleich wurde von dem Rechtsanwalt angeregt und für seinen Mandanten im Urteil umgesetzt. Für K13online entstand als Prozessbeobachter der Eindruck, dass es sich bei den 15 Tausend Euro um reine Abzocke gehandelt haben könnte. Die Beteiligten wollten sich dazu jedoch nicht äußern. Es ist völlig lebensfremd, wenn das damalige Mädchen/Nichte über sechs Jahre mit ihrem Onkel in den Urlaub fährt, dass die sexuellen Erlebnisse ohne Einwilligung des Kindes stattgefunden haben. Die Straftatbestände sind trotzdem erfüllt und deshalb hat die heutige Erwachsene Entschädigung dafür erhalten. 

Mündliche Urteilsverkündung

Auch das Landgericht schloss sich der Staatsanwaltschaft, Nebenklage und Verteidigung an. Denn alles war bereits vorher in einem Deal ausgehandelt worden. Eine solche Verfahrensabsprach ist gerade bei diesem Richter sehr ungewöhnlich. Das Strafmaß von zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung ist nahezu die Mindeststrafe, die ein Gericht in diesen Fällen verhängen kann. Dank dem Verteidiger und der Kooperationsbereitschaft des Staatsanwaltes & der Nebenklägerin und dem Richter wäre dies nicht möglich gewesen. Die Gerichtsverhandlung war nach einer Stunde und 10 Minuten beendet. Der Onkel der heute 21-Jährigen zeigte sich mit dem Urteil zufrieden. Nach Rechtsauffassung von K13online war bei der bestehenden Rechtslage auch nicht weniger möglich. 


 

 

 

 

Der 76-jährige Mann aus dem östlichen Enzkreis soll seine Nichte im Zeitraum zwischen August 2010 und Mai 2016 bei ihren Besuchen während der Schulferien „mindestens zweimal wöchentlich“, so der Staatsanwalt Maximilian Schneider, sexuell missbraucht haben. Bereits am vergangenen Verhandlungstag wurde ein Täter-Opfer-Ausgleich von 15.000 Euro an die Geschädigte vereinbart. Sowohl Staatsanwalt Schneider, Nebenklagevertreterin Rebecca Kreuzer, als auch der Verteidiger des Angeklagten, Michael Erath, waren sich über die Dinge einig, die dem 76-Jährigen zugutekommen: So spreche das Geständnis des Angeklagten und das kooperative Verhalten während der Verhandlung und im Umgang mit seiner Nichte für den Mann.

https://www.pz-news.de/region_artikel,-Bewaehrung-nach-sexuellen-Uebergriffen-Mann-wegen-Missbrauch-an-seiner-Nichte-verurteilt-_arid,2128458.html

Verteidiger Erath forderte außerdem ein Rechtsgespräch unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Dieses ergab folgende Beschlüsse: Dem Vorschlag, das Strafmaß auf ein Jahr und acht Monate bis zwei Jahre einzugrenzen, stimmten alle Beteiligten zu. Außerdem wurde die ausgemachte Schadensersatzzahlung als Bewährungsauflage festgelegt werden. Diese soll in zwölf Raten zu je 500 Euro und einer Restzahlung von 4 000 Euro stattfinden. Die Befragung der Zeugin und der psychologischen Sachverständigen wickelte Heidrich schnell ab, da es durch die zuvor eingeräumten Vorwürfe keine weiteren Fragen gab.

https://www.pz-news.de/region_artikel,-Sexueller-Missbrauch-an-Nichte-Mann-aus-dem-oestlichen-Enzkreis-vor-Gericht-in-Pforzheim-_arid,2124306.html


Ebenfalls als mildernden Umstand führte der Richter an, dass sich der Angeklagte freiwillig in den zurückliegenden Jahren zweimal einer Therapie unterzogen hat. Auch die Sozialprognose sei ausgesprochen positiv: Er lebe in geordneten Verhältnissen; weder sei er vorbestraft, noch sei er nach dem Ende des Tatzeitraums noch einmal auffällig geworden. Während des Verfahrens wurde auch deutlich, dass die Vorfälle in den Jahren 2010 bis 2016 unmittelbar nach dem Tatzeitraum der Familie bekannt wurden.

Bereits damals, führte sein Verteidiger aus, habe sein Mandant ein Entschuldigungsschreiben an die Familie gerichtet. Acht Jahre lang geschah also nichts. Erst dann, so der Verteidiger weiter, entstand in der Familie aufgrund der psychischen Situation des Opfers und Zerwürfnissen in der Familie selbst ein Handlungsdruck.

https://bnn.de/pforzheim/76-jaehriger-aus-dem-enzkreis-wegen-mehrfachen-sexuellen-missbrauchs-verurteilt

Unabdingbar dafür sei ein umfassendes Geständnis, so gab der Vorsitzende Richter Andreas Heidrich als Leitplanke vor. Falls er die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft einräume, so könne er für den voraussichtlichen Strafrahmen von einer Freiheitsstrafe zwischen einem Jahr und acht Monaten und zwei Jahren tatsächlich mit einer zweijährigen Bewährungszeit rechnen. Diesem Vorschlag stimmte der Angeklagte zu.

Als positiv wertete Andreas Heidrich, dass die Geschädigte auf dieser Grundlage keine Aussage zur Sache mehr zu machen braucht. Als Zeugin konnte sie sich auf Angaben beschränken, welche Folgen der Missbrauch für sie gehabt hat.

Das Verfahren kann damit auf einen weiteren Termin am 21. Oktober reduziert werden. Im Pforzheimer Amtsgericht stehen um 9 Uhr dann die Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung sowie die Urteilsverkündung an.

https://bnn.de/pforzheim/pforzheim-76-jaehriger-gesteht-mehrfachen-sexuellen-missbrauch-an-nichte

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Das Alter macht nicht kindisch, wie man spricht, es findet uns nur noch als wahre Kinder.

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